Bericht aus Vilnius 2009


Mischa Reska - Zwischenbericht aus Vilnius - Mitte Juni 2009

Unerwarteter Weise wohne ich in der Kunst Akademie. Die eigentlich vorgesehene Wohnung war nicht frei. Aber fürs kurzfristige Improvisieren sind die Litauer offenbar bekannt. Deshalb hat man mir wohl keine Adresse bekannt gegeben, wo ich wohnen werde - jetzt also am Rande der Altstadt und der Künstler-Republik Uzupis. Keine Ahnung welche Adresse dieses relativ neue Nebengebäude der Akademie hat, die Studenten nehmen den Zugang von der Maironio gatve, ich komme auch über die Malunu gatve (wer das in google maps nachschauen will) über den Hinterhof, wo ich in einem Bildhaueratelier untergebracht bin.
Gleich welchen Weg man geht, man quert den Fluss Vilnia und hat das Gefühl man ist am Land, eine Schotterstrasse, hohes Gras, der Holler blüht gerade, ein Hund schläft unter einer schräg aufgestellten Holzplatte, Wäscheschnüre auf den Pawlatschen, dort auch ordentlich gespannte Schnüre für Bohnen die da bald in Reih und Glied emporwachsen werden. Im Sand des Bodens (wohl die natürliche Flußaufschüttung) spielende Kinder, herumhängende (bitte nicht abhängen sagen) Jugendliche mit Dradlocks. Der Klickton der ferngesteuerten Autoschlösser ist neben dem Vogelgezwitscher das dominierende Geräusch. Im Hof abgestellte = weggeworfenen Möbel und (abstrakte) Metall-Skulpturen, sowie eine Badewanne mit einem fest gewordenem Tonhaufen bilden eine harmonische Einheit. Das Atelier wäre toll, wäre ich Bildhauerin und hätte einige Monate Zeit. Sicher 5 Meter hoch, eine Wand voll verglast. Ich bin Malerin und an der einzigen Wand ist eine Schultafel montiert, da hier sonst ein dänischer Professor 'Temporality, Concept and Space' unterrichtet (die Improvisationskunst der Litauer...).

Die erste Woche blieben die Temperaturen um die 10°, also ist an einen Aufenthalt hier drinnen so und so nicht zu denken. Für alle die es trotz der vielen Berichte über die Kulturhauptstadt nicht wissen, die Heizung wird für die ganze Stadt im Sommer abgeschaltet. Das war so und bleibt so.
Der vordere Teil des Studios ist abgetrennt, unten der Waschraum - Badezimmer will ich nicht sagen, oben Bett und Kasten, wirklich nicht mehr, nein doch - der Elektrostrahler -, wenn auch nicht sehr effektiv, echt ein Luxus, wie man mir sagt.
Da sitze ich jetzt, das Laptop auf den Knien, das wärmt schön - eine meiner Improvisationen. Dabei war es heute ohnehin schon viel freundlicher - es hat den ganzen Tag nicht geregnet. Bisher waren meine Hosen dank der überforderten Kanalisation immer nass bis zu den Knien. Die Schlaglöcher, von denen die Autos in den engen Gassen Fontainen versprühen können, noch mehr.
Leider konnte ich mich unter den herabstürzenden Wassermassen am ersten Tag überhaupt nicht orientieren. Aus dem nicht englischsprachigen Fahrer der Uni, von dem ich hier abgesetzt worden bin, konnte ich die Adresse nicht raus kriegen. So ist es sich nicht ausgegangen den Schriftsteller und Vilniuskenner Cornelius Hell zu treffen. Unsere Anwesenheit in Litauen hat sich gerade nur ein paar Stunden überschnitten. Wäre sicher ein interessanter Einstieg gewesen.

Doch auch so habe ich Glück mit den Umständen meiner Ankunft, denn ich bin gleich am ersten Abend in ein Erasmus-Projekt der Kunstakademie gestolpert. Studenten aus Dänemark, Schweden, Estland, der Angewandten in Wien und der hiesigen Akademie. Das Thema ist die jüngere Litauische Zeitgeschichte - der Holocaust und die Deportationen nach Sibirien. Das Ziel - Ideen für ein Denkmal zu präsentieren. Vielversprechende Vorträge werden folgen.
Ich habe auf diese Weise u.a. die Möglichkeit interessante Orte rund um Vilnius zu sehen, zu denen man, ohne sich auszukennen und ohne Auto nicht so leicht kommt. Wie den Deportationsbahnhof, die Holocaustgedenkstätte oder einen Park mit allen abgebauten Denkmälern aus der Sowjetzeit. Dabei in der Gruppe immer das Phänomen des 'Dark Tourism' mitdenkend und diskutierend.
In Litauen sind SU-Symbole verboten. Ich sehe allerdings höchstens die Gefahr der verkitschten Verharmlosung durch Touristen (siehe Berlin Checkpoint Charly), nicht der Wiederbetätigung. Die Sicht auf dem Nationalismus aus litauischer Perspektive erschreckt mich dagegen oft. Heftig berührt mich der verallgemeinernde Hass auf alles Russische und die Russen - es sind auf Nachfrage wirklich 'alle' gemeint, und das von Studenten und Professoren der Kunstakademie. Während die Erasmus-StudentInnen das Wort Hass kaum über die Lippen bringen. Ein Denkmal müsste also vor allem eine Weg zum Verzeihen eröffnen.

Vom Kulturhauptstadtjahr ist übrigens wenig übrig. Politische Kontroversen, Gelder sind verschwunden, die Kuratorin wurde abgesetzt. Die Österreichische Botschafterin meinte in einem unbeobachteten Moment es sei den Litauern peinlich und man spricht besser nicht darüber. Ich hab es wirklich aufgegeben, niemand will darüber reden. Die diesbezügliche Homepage hat nach dem Februar eigentlich keine aktuellen Einträge mehr, auch zu den Veranstaltungen die dennoch statt finden gibt es keine Zeit- oder Ortsangaben (keine Lust mehr auf Improvisation?).
Unverständlicherweise ist im offiziellen Heft der Kulturhauptstadt zur Geschichte von Vilnius die Vernichtung der Juden (Schätzungen gehen bis 300.000) nicht erwähnt! Die Mittäterschaft von Litauern an den Erschießungen würde man offiziell gerne ein für alle mal verschweigen. Aber wir sind hier im Zentrum Europas (geografisch!) und in der EU!
Ja, die Diskussionen beim Erasmusprojekt in den letzten Tage zwischen Geschichte und eigenen Erfahrungen, Politik und Kunst waren oft aufreibend - und das alles in Englisch. Zum Vergnügungsanteil nach der doch harten 'Kost' des Contemporary-Past-Projects durfte ich einige Male mit der Gruppe essen gehen. Das ist immer besser als erwartet, obwohl die Lokale schräg sind. Eine Lässigkeit um die man sich andernorts (Wien) schwer bemüht, und in Salzburg gibt's so was gar nicht.
Für das richtige Nachtleben, das hier sehr ausführlich und heftig begangen wird, habe ich schon zu viele Altersgrenzen überschritten, auch wenn ich sonst plötzlich ein Studentenleben führe.
Schön auch, dass gerade die Eröffnung einer Ausstellung mit Künstlern aus Vilnius und Salzburg statt gefunden hat - mit angenehmen Nebeneffekten für mich (Transportmöglichkeit)!
Was mir noch nicht gelungen ist, ist zwischen all den teuren innerstädtischen Modeboutiquen und Souvenirshops andere Lebensmittelgeschäfte als solche der Ketten MAXIMA(chen) und IKI(leinchen) zu finden. Das Sortiment ist wie in Österreichischen Supermärkten vor 15 Jahren (ja ich weiß, in der Weise soll man nicht urteilen).
Sonst - mal sehen was ich mit der weiteren Zeit anfangen werde, für ein Monat Aufenthalt gibt’s in jedem Fall genug zu tun und zu sehen.

Ende Juni 2009
Nachrichten aus Vilnius - zweiter Teil

Hier ist das Wetter jetzt sommerlich immer um die 25°, oft mit tiefblauem Himmel, dazwischen dramatische Wolken, die es schnell einmal zwischendurch kurz regnen lassen, viel Wind, aber auch diesige, graue, schwüle Tage.
Das doch recht große Studio hat sich etwas aufgewärmt. Ich habe nicht mehr auf Schritt und Tritt den Heizstrahler in der einen und das Laptop in der anderen Hand. Das Laptop ist ja Radio, Schreibmaschine, Briefkasten, Postfach, Telefon, Fotostudio ... in einem - schon gut.
Habe mir mein interimistisches Reich jetzt auch möbliert, mit den Möbeln aus dem Akademie-Hof, da herrscht ein reger Austausch und niemand kümmert sich drum, dass alles vom Regen sehr mitgenommen ist.

Das Leben ist in der ganzen Stadt gemächlich, es muss nicht all zu schnell gehen. An der Supermarktkasse bleibt mir genug Zeit um die Waren ein zu packen und selbst in der unbekannten Währung das Kleingeld heraus zu suchen und nach zu zählen.
Die Innenstadt ist nicht nur deswegen ruhig und erstaunlich leer weil so viele Litauer in den letzten Jahren emigriert sind (420 000), sondern auch weil die Litauer ihre Freizeit in den vielen Giga-Shoppingzentren verbringen. Diese immer gleichen Erlebniswelten hab ich nur gestreift, aber mittlerweile hab ich die Supermärkte am Stadtrand entdeckt. Die sind sowas von übervoll mit Waren und Menschen, aber so riesig, dass auch kein Druck zur Eile spürbar ist. So rasch ändert sich das Bild einer Stadt! Ich stolpere quer über Betonwüsten von entlegenen Busstationen dahin, die Litauer kommen natürlich mit dem Auto.
Eine Einkaufs und Freizeit-Mall hat in der nächst größeren Stadt Kaunas einen Kollaps verursacht. Es gab zwar schon architektonische Konzepte zur Reanimierung des städtischen Lebens, aber die ganz und gar nicht hässliche Stadt wird tot bleiben solange die Einwohner und Touristen den künstlichen Ersatz vorziehen.

In Vilnius fällt es weniger auf, da die Hauptstadt von sich aus mehr Lebendigkeit befördert. Am Wochenende stürmen Bustouristen vor allem Polen und auch Deutsche in die Altstadt. Ich kann mich des Gefühls nicht erwähren, dass sie das mit dem Habitus -das ist ja eh eigentlich unser- tun.
Die meisten Litauer sind da schon längst in die Wohngegenden verschwunden. Es gibt grüne Villenviertel ebenso wie langweilige Plattenbausiedlungen. Viele sind sicher auch im traditionellen kleinen Wochenendhäuschen mit Sauna an einem der hundert kleinen Seen.
Schnell geht das fahren dorthin auch mit den protzigen Schlitten nicht, denn die Autobahnen sind nicht gut ausgebaut und in keinem guten Zustand. Augenscheinlich lieben die Litauer ihre SUVs, Sportwagen und Stretchlimousinen mit denen sie über schlechte Straßen holpern, sich durch die engen Gassen der Altstadt quetschen und die Gehsteige blockieren. Nicht Litauische Nummernschilder hab ich übrigens noch keine gesehen. Sonst gibt es in dieser Stadt auch alles womit man fahren kann und was gerade in ist: waghalsige Rollerblader und Skateboarder, normale Fahrräder und die ohne Bremsen, Roller jeder Art (z.B. Segway), Rikschas wie in Berlin ... Und die höchsten High-Heels, mit denen die Damen übers Kopfsteinpflaster wandeln. Dezent modisch gekleidet sind sie im allgemeinen, die Litauerinnen und Litauer der Hauptstadt. Die letzten Tage würde das Straßenbild rund um mich von sehr brav und schick herausgeputzten Studenten und deren Familien bestimmt, die von und zu den Abschlussfeierlichkeiten der Kunstakademie und Universität strömten. Fast jeder hat einen Blumenstrauß in der Hand, meist wunderschön gebunden, aus einer Mischung von wilden und gezüchteten Kornblumen, Margariten, Lilien, ..... Litauen ein Blumenland!

Bei einem Fest im Hof vor 'meinen' Fenstern hab ich mit dem Dänische Professor für 'Contemporality, Concept and Space' der sonst in 'meinem' Studio unterrichtet und wohnt (!) darüber gesprochen, dass die Studenten nichts über die Kunst nach 45 wissen, da ja auch ihre Professoren von der westlichen Welt abgeschnitten waren -und sein wollten. In der Vorlesung hab ich gesehen, dass er seine Sicht der Dinge wunderbar vermitteln kann. Es klingt, als wäre die Postmoderne eine Erlöserreligion, der einzige Weg aus der zu verachtenden Tradition der Malerei. Als Alternative bleiben die Professoren, die starre (russische) Tradition lehren. Unabhängiges, selbständiges Denken ist schwer umzusetzen, wie die wiffsten Studenten erzählen. Man kann ihnen nur raten ins Ausland zu gehen, zumal ab nächsten Semester extrem hohe Studiengebühren zu zahlen sind.
Nicht oft wird hier ein spannendes Projekt wie das Contemporary/Past geboten, das einen Anstoß zum Überdenken verschiedener Standpunkte geben kann, dafür aber erstaunlich wenige heimische Zuhörer fand. Vortragende waren Horst Hoheisel, der in Vilnius gerade eine Installation im öffentlichen Raum zur Erinnerung an die zerstörte Synagoge gemacht hat; der Rektor der dänischen Kunstakademie, bei dem ich keine Ahnung habe was er uns sagen wollte, außer welche Mahnmale berühmt sind und dass er gerade auf der Biennale in Venedig war. (Übrigens die Generation der 30-40 jährigen Litauer KünstlerInnen fährt da genau so selbstverständlich hin wie nach Berlin oder New York.); Esther Shalev Gerz, die in Litauen geboren wurde, in Israel aufgewachsen ist und jetzt in Paris lebt - spezialisiert auf partizipative Erinnerungskunst; ein Architekt aus dem Team für die Errichtung des Denkmahls für die ermordeten Juden in Berlin; Ronald Jones - der schreibt z.B. für Frieze (Kunstmagazin) und unterrichtet quer durch die Welt, aber vor allem in Schweden - war sehr aufrüttelnd! Ich werde weiter verfolgen womit er sich beschäftigt. Auch Johanna und Helmut Kandl stellten ihre Projekte vor. Außerhalb Österreichs fällt die österreichische Art die Dinge immer zu umkreisen und nicht zielgerichtet auf sie zu zu gehen sehr auf. (Beim Kreisen kann man neue Entdeckungen machen, oder sich verrennen.)
Dazu gab es noch viele Berichte von litauischen Historikern und Zeitzeugen. Der immer wieder unverhohlen zur Schau getragene Nationalismus tut uns unbeteiligten Ausländern auch wenn wir die Situation mittlerweile verstehen weh.
Mit den litauischen Essays die ich gelesen habe und den Berichten in Ö1 (ca. 20!) ist mein Bild von Litauen jetzt wesentlich präsenter als z.B. das von Tschechien oder Belgien. Dabei hab ich auch noch in den unterschiedlichsten Gesprächen liebe junge Leute aus Litauen, Estland, Dänemark, Schweden, Weißrussland, Japan, USA, Türkei, Deutschland, Schweiz und Österreich kennen gelernt und gesehen wie sich eine Generation aus vergleichbarem Milieu ähnlich ist, aber sie auch alle ganz unterschiedlich denken und handeln ....

Die kürzeste Nacht des Jahres wurde in der ganzen Altstadt mit einer Kulturnacht begangen. 'Gehen' ist das richtige Wort - Menschenmassen wanderten durch die Gassen! Am kürzesten so beschrieben - man stelle sich vor in Hallein (für mich mit Vilnius vergleichbarer Ort) hätten alle Kulturinstitutionen und Kirchen geöffnet, auf jedem Platz spielt eine Tennengauer Band (gleich welcher Richtung) und alle Salzburger (!) unter 50 Jahren sind gekommen! Alkohol ist unter freiem Himmel nur in Gastgärten erlaubt, so ist die Stimmung sehr freundlich. In gleicher Weise sind die Massen durch die Akademie (ist dort gleichzeitig Tag der offenen Tür) gerannt. Alle Klassen haben ihre Arbeiten präsentierten und auch das Contemporary/Past Projekt. Da die Denkmal-Vorschläge meist eine etwas längere Zeit benötigt hätten um sich mit ihnen zu beschäftigen ist es an den meisten Besuchern wohl ohne besonderen Eindruck vorbei gegangen - schade natürlich.
Da mir die kulturelle Qualität und Vielfalt die Österreich zu bieten hat schon sehr bewusst geworden ist, habe ich keine richtige Lust mehr auf das hiesige Kulturprogramm.

In der Nacht von 23. auf 24. feiern die Litauer dann die für sie ganz, ganz wichtige 'Midsummernight'. Das ursprünglich heidnische Fest wurde von der katholischen Kirche auf 'Johannes' verlegt und jetzt ist der 24. ein Feiertag. Die litauischen Studenten mit denen ich gesprochen habe waren überzeugt, in dieser Nacht wäre die Sommersonnenwende. Ganz Vilnius fährt in die Natur und Viele trinken viel, viel Alkohol. Für Litauer ist es ganz schlimm an dem Abend alleine zu sein - vergleichbar mit unseren Weihnachtsgefühlen. Ich wurde netter Weise von einer Familie (Internetbekanntschaft !) zu einem Grillabend im Garten, etwas außerhalb der Stadt eingeladen. Wenig Alkohol - denn man wollte nicht riskieren bei der Heimfahrt von der Polizei aufgehalten zu werden, was üblicherweise mit nötigem Bestechungsgeld endet.

Heute am 24.6. ist also 'konsumfrei', na ja bis auf die Lokale - ungewöhnlich denn sonst hat alles 7 Tage die Woche bis weit in die Nacht offen.
Am schönsten finde ich es ohnehin Spazieren zu gehen und 'Blicke' zu entdecken. Ich bin im warmen Gewitterregen auf einem Friedhof über die übergewucherten Gräber geklettert. Er liegt auf einem der Hügel am südlichen Rand der Altstadt, aber der Ausblick von dort bietet wieder kein rechtes Stadtgefühl, alles ist tief eingetaucht ins Grün der Bäume, nur dahinter ein paar Hochhäuser. Schaut man von denen, von Norden auf die Stadt sieht man den Fluss Neris und nicht viel anderes als ein paar Kirchentürme die aus dichtem Grün heraus lugen - das ist Vilnius.
Am Weg zurück hab ich eine schöne Wohngegend entdeckt, zwischen einigen verfallenden Häusern und wenigen neu gebauten, liebevoll gepflegte mit ebensolchen Gärten. Alles unglaublich kleinteilig, ich konnte gar nicht mehr aufhören zu fotografieren. Aber die zum Gekläff anhebenden Hunde haben mich weiter getrieben. Gleich ist man dann wieder in einer Gegend, wo es aussieht wie im Niemandsland, dabei ist man nur ums Eck von den touristischen Hauptattraktionen der Altstadt.

Die besten Fotos wären natürlich die, die ich nicht gemacht habe. Von den lustigen etwas angeheiterten Mädchen, in deren blond gekräuseltem Haar auf Spangen kleine Vogelfiguren sitzen, vom kleinen Buben der mit einem löchrigem Plastiksackerl eifrig Wasser aus eine Lacke schöpft, und, und, und.
Aber viele leere, ausdruckslose Gesichter gibt’s auch, darauf haben mich die Litauer aufmerksam gemacht und es ist so.

Habe ich schon über die gegenwärtige Politik geschrieben, nein ich lasse es lieber, ein kompliziertes und unerfreuliches Kapitel. Die Unabhängikeits-Bewegung war voller Aufbruchstimmung und jetzt nur Depression. Dass es den Intellektuellen trotzdem das wichtigste ist, dass sich der Staat in nichts einmischt, will ich nicht verstehen. Manches darf man auch den aufgeschlossensten LitauerInnen gegenüber gar nicht ansprechen, es werden sofort Mauern aufgebaut. Überlegungen die sie einfach nicht an sich heran lassen wollen und immer mit den selben Stereotypen darauf reagieren.
Ob die nächste Generation schon ganz anders mit der Vergangenheit umgehen wird und Litauen in ein anderes Licht stellen will?

Jetzt esse ich gerade ein typisch litauisches Sommeressen: eine Schale Milch mit echten Walderdbeeren (gibt es hier in Mengen wie in Salzburg Heidelbeeren) und dazu das berühmte litauische sehr dunkle, salzig/süße Roggenbrot das ich nach langem Suchen auf einem neuen Bio-Wochenmarkt gefunden habe.
Essen wird hier liebevolle Aufmerksamkeit geschenkt und es ist für Österreicher nicht sehr exotisch - Zeppelinas sind z.B. mit faschiertem gefüllte Kartoffelknödel. Saltibarscai eine kalte Rote-Rüben-Suppe, werde ich nachkochen sobald ich wieder eine Küche zur verfügen habe und , Italien hin oder her, den Kaffee aus der Kunstuni-Mensa erkläre ich zum Kult.

Nächste Woche werde ich quer durchs Baltikum fahren - bin sehr gespannt.